Seit einigen Jahren sind gerade zu Buchmessen E-Books ein besonderes Thema und seit drei Jahren steigt der Umsatz mit digitalen Büchern im zweistelligen Bereich. E-Books nach dem EPUB-Standard haben sich inzwischen am Markt durchgesetzt und nur Amazon setzt mit seinen Mobipocket- und den neueren KF8-Dateien auf ein eigenes Format. Die Formate sind sich jedoch sehr ähnlich und die Dateien für Amazons Kindle-E-Reader lassen sich leicht durch Konvertierung aus EPUB-Dateien erstellen.
Digitale Bücher nach dem EPUB-Standard im Grunde sind verpackte (gezippte) Webseiten, die auf offene
Techniken wie XHTML, XML und CSS aufbauen. Das alte Format EPBUB 2.01 wurde 2007 verabschiedet, im Oktober 2011 hat das International Digital Publishing Forum (IDPF) den aktuellen Standard EPUB 3 für digitale Bücher beschlossen, der die alte Version EPUB 2.01 ablösen soll. Doch Bücher, die die Möglichkeiten von EPBUB 3 voll ausnutzen sind noch selten – so selten wie Geräte und E-Reader-Apps, die EPBUB 3 auch fehlerfrei wiedergeben können.
Was ist neu in EPUB 3 und was macht es so wichtig?
Zuerst denkt man natürlich an die Möglichkeit mit Hilfe von HTML5-Techniken multimediale Inhalte in ein Buch einzubinden, denn mit EPUB 3 ist es möglich, Filme, Tonspuren oder interaktive Elemente aufzunehmen. Man spricht hier von Enhanced E-Books. Ist dies aber ein echter Mehrwert für E-Books? Dazu sei ein Rückblick gestattet. Anfang der 1990er Jahre waren für kurze Zeit Multimedia-CD-ROMs angesagt. Gute Beispiele für diese Multimediaprojekte waren die Arbeiten des US-amerikanischen Unternehmens The Voyager Company von Rob Stein, der jetzt als einer der wichtigsten Verfechter des Social Reading gilt. Die interaktiven, multimedialen Projekte für Künstler wie Laurie Anderson, Peter Gabriel oder die Residents waren vielversprechend und verkauften sich für kurze Zeit sehr gut, doch langfristig hielten sich solche Produkte nicht am Markt. Offenbar wollten die Kunden entweder CDs mit Musik oder DVDs mit Filmen. Interaktivität beim Medienkonsum wird offenbar schnell langweilig, wenn es sich nicht um Spiele handelt.
Einfachheit oder „Klickibunti“?
Interaktive Elemente in E-Books sind auch für Schulbücher zur Veranschaulichung des Unterrichtsstoffes und zur Lernstandsüberprüfung denkbar. Es müssen jedoch alle Schüler mit entsprechenden Tablet-PCs ausgestattet werden. Dies ist ebenso eine Kostenfrage wie das Erstellen der interaktiven Medien. Es ist auch noch fraglich, ob die neuen Medien dauerhaft von den Schülern angenommen werden.
Die Nutzung multimedialer Inhalte ist auf Smartphones und Tablet-PCs kein Problem, doch groß geworden sind E-Books durch E-Reader-Geräte mit E-Ink-Display. Diese Displays sind durch ihre schwarz-weiße Ausprägung mit normalerweise 16 Graustufen für farbige Bilder ungeeignet und für bewegte Bilder, also Filme, im Bildaufbau viel zu langsam. Viele E-Reader-Geräte bieten auch keine Tonausgabe, die für Multimedia-Anwendungen erforderlich ist.
Nebenprodukt „Fixed Layout EPUB“
Mit EPUB 3 können auch sogenannte „Fixed Layout EPUBs“ erzeugt werden. Diese E-Books widersprechen eigentlich dem ursprünglichem Konzept von EPUB, denn – wie der Name sagt – ist ihre Gestaltung fest. Das Layout ist statisch, so wie man es schon von PDF-Dateien her kennt. Der einzige Grund, Fixed Layout EPUBs anstatt von PDF zu erzeugen, ist der iBooks Store von Apple. iBooks kann zwar PDF-Dateien darstellen, Apple nimmt jedoch keine PDF-Dateien zum Verkauf an. Wenn man den wichtigen Vertriebskanal von Apple nutzen möchte, ist man daher für Bildbände und Kinderbücher auf Fixed Layout EPUBs angewiesen.
EPUB 3 bietet auch neue Möglichkeiten der Textgestaltung (wie z.B. mehrspaltiges Layout), die jedoch ebenfalls noch nicht alle E-Reader-Apps und -Geräte umsetzen können.
Fußnote oder die Suche nach dem Mehrwert
Einen wirklicher Mehrwert findet sich bei Fußnoten. Der große Vorteil konventioneller E-Books ist die Anpassung an unterschiedliche Displaygrößen. Dadurch können Fußnoten nicht auf der entsprechenden Seite stehen, sondern werden als Endnoten an das Ende des Textes gesetzt. Werden diese im E-Book korrekt verlinkt, so tippt man auf den Fuß-, bzw. Endnoten-Index und gelangt so zum entsprechenden Kommentar. Tippt man dort wieder auf den Zähler, wird man zurück zur entsprechende Textstelle geführt. Dieses Blättern kann bei vielen Fußnoten sehr verwirren. EPUB 3 bietet mit den neuen „Popup-Fußnoten“ eine sehr schöne Abhilfe: Wählt man den Fußnotenindex an, öffnet sich ein Fenster mit dem passenden Kommentar. Diese Popup-Fußnoten machen gerade wissenschaftliche Texte wesentlich übersichtlicher und leichter lesbar.
Das E-Book der Zukunft mehr eine App?
Ob E-Books zum Behälter unterschiedlichster Medien werden, wird der Markt entscheiden. Verlage werden neue Formen von Büchern anbieten, die der Konsument annimmt oder ablehnt, denn so werden, wenn alles gut läuft, neue Produkte ausgehandelt. Für Verlage bieten Enhanced E-Books völlig neue Geschäftsfelder, denn ein Spielfilm, in ein EPUB 3 eingebunden, kann jetzt Buch heißen. Eine Sammlung von Musikdateien, die man früher als LP, später als CD im Plattenladen gekauft hat und heute als mp3-Dateien online erwirbt, kann jetzt ein Buch sein. Ein interaktiver Sprachkurs, den wir bisher als DVD oder als Software-Download bekamen – wird zum Buch.
Fazit. Als Layouter, Setzer, Web- oder Buchdesigner haben wir wenig Einfluss auf die Inhalte, die wir bearbeiten müssen. Wichtig ist, dass wir auf mögliche Aufträge vorbereitet sind und uns mit dem entsprechenden Wissen und den passenden Werkzeugen versorgen. Ein leicht zu bedienendes Programm für einfache Animationen, auch dreidimensionale, bietet beispielsweise Google mit seinem (bis jetzt noch kostenloses) „Google Web Designer“ an, das sehr sauberen HTML5-Code erzeugt. Auch für die Audio- und Videobearbeitung gibt es viel kostenlose Software, um Erfahrungen in neuen, in E-Books einbindbaren Medien zu sammeln. Programme zur Bild- und Grafikbearbeitung sind schon lange Pflicht des Buchgestalters.
Die meisten Gestalter von Büchern werden noch nicht aus dem Bereich Webdesign kommen, sondern ihre Wurzeln in der klassischen Druckgestaltung haben. Ebenso denken die meisten Verlage noch vom Print-Produkt aus.
Das Ende der Doppelproduktion ist absehbar
In der nächsten Zukunft werden Bücher und Zeitschriften sicher noch doppelt produziert: als Printprodukt (PDF) und als E-Book (EPUB). Das Printprodukt wird noch eine zeitlang als Ausgangsmedium dienen. Als Gestalter benötigen wir zukünftig eine Layoutsoftware, mit der wir ein klassisches Printprodukt nach allen Regeln der Schwarzen Kunst erstellen können, in das wir auch multimediale Elemente einbinden können und dabei jederzeit die Kontrolle über die zu exportierenden Formate behalten. Das wäre keine eierlegende Wollmilchsau, sondern ein XML-basiertes Programm, bei dem wir gut gestaltetes Layout mit (X)HTML taggen, zur Gestaltung CSS einbetten und mit Multimedia-Inhalten verlinken. Die gute Nachricht zum Schluss: Eine solche Software gibt es schon – die tango-Produktlinie von MarkStein mit tango solo, tango team und tango media.
Florian Rudt ist gelernter Schriftsetzer und Autor des Standardwerks zum digitalen Lesen „Das Buch zu E-Books“. Als Freiberufler setzt er vor allem wissenschaftliche Veröffentlichungen und Zeitschriften, die er für den Druck und als E-Books aufbereitet. Der unermüdlicher Vielleser lebt mit seinerm Hund in der Universitätsstadt Bielefeld.
Bildnachweis: Screenshots aus dem E-Book „Chronische Schmerzen verstehen“, EPUB3 erstellt mit tango solo. Mit freundlicher Genehmigung meb | Digitaler Buchverlag.
Wenn Sie selber Erfahrungen mit E-Books in EPUB3 machen möchten, oder einfach ein Buch für den Kindle oder ähnliche E-Reader herstellen möchten? Warum warten? Laden Sie noch heute Ihre persönliche Testversion von tango solo herunter.