In dieser Serie beschäftigen wir uns mit dem allgemeinen Aufbau von Publishing-Systemen, wie sie in Verlagen und Unternehmen für die crossmediale Produktion eingesetzt werden.
Wer sich mit dem Thema Publizieren mit Hilfe von Softwareunterstützung beschäftigt oder sich im Auswahlprozess für ein solches Systems befindet, trifft bei seinen Recherchen auf unterschiedliche Begriffe. Zur allgemeinen Verwirrung werden diese zum Teil gleichwertig und oft missverständlich gebraucht. Dieser kurze Artikel soll zur Klärung beitragen. Die Begriffe stehen in der historischen Reihenfolge ihres Auftretens und beschreiben so auch den Werdegang systemischen Publizierens von heute zurück zu den Anfängen.
Das Non-Plus Ultra: Multi-Channel Publishing-System
Ein solches System dient der Verwaltung und Publikation aller Inhalte eines Unternehmens für die Druckausgabe und digitale Kanäle. Es beinhaltet Media Asset Management und ein integriertes Web-CMS (oder eine integrierte Auslieferung ins Web). Zusätzlich bedient es neben Print und Web weitere Ausgabekanäle wie Mobilgeräte (iOS/Android/Windows Phone) und soziale Netzwerke (z.B. Twitter/Facebook). Das Multi-Channel Publishing-System wird ergänzt durch Bausteine zur Planung wie Ausgabenplanung, Ressourcenplanung, Themenplanung und Blattplanung. Über Schnittstellen werden kommerzielle Systeme, z.B. zur Anzeigenverwaltung und Honorierung, eingebunden. Die Basis eines modernen Multi-Channel Publishing-Systems ist eine zentrale Datenbank („Single-Source“) und die Strukturierung der Daten mittels XML.
Der Speicherriese: Media Asset Management System (MAM, DAM)
Ein solches System dient zur Verwaltung digitaler Inhalte (Text, Bild, Audio, Video) für die mehrfache Verwertung innerhalb des Verlages (Print, Internet, Mobile, Newsletter, PDF-Publishing, CD-ROM, E-Books, Weiterverwertung (Syndication)). Es kann als großer Medienspeicher mit Suchfunktionen verstanden werden. Verarbeitungs- und Workflowkomponenten sind hier extern zu ergänzen.
Der Auslieferer: Web-Content-Management-System (WCMS)
Das WCMS dient zur Verwaltung und Publikation digitaler Inhalte für die Internetverwertung mit einem spezifischen Workflow für Webseiten.
Mißverständlich wird oft der Begriff Content-Management-System (CMS) genutzt, einmal für MAM und einmal für WCMS. Als CMS können z.B. auch Dokumenten-Management-Systeme angesehen werden; im Verlagsbereich ist mit CMS immer MAM gemeint.
Das Komplette: Verlagssystem
Historisch betrachtet war dies einmal ein Print-Produktionssystem unter Einbeziehung kommerzieller Anwendungen wie Anzeigenverwaltung, Faktura, Honorarabrechnung, Buchhaltung, Vertrieb, Marketing, Customer-Relation-Management (CRM), Unternehmensressourcenplanung (ERP). Heute stellt man aus einem Multi-Channel Publishing-System (Produktion) zusammen mit einem kaufmännischen System (Verwaltung) ein integriertes Verlagssystem zusammen.
Das Papierne: Print-Produktionssystem
Das frühere Produktionssystem umfasste (in der Zeitungsproduktion) die Komponenten Ausgabenplanung, Redaktion, Layout, Anschluss an ein kommerzielles System für Anzeigen, Nachrichten-Agenturen, Sporttabellen und Produktionsverfolgung.
Das Schlichte: Redaktionssystem
Ein Redaktionssystem bildet die Basis allen systemischen Arbeitens und meint nicht mehr als die Zusammenführung von Redaktion (Textproduktion) und Layout (Seitenproduktion) in einen gemeinsamen Workflow. Hierbei wird der Begriff für Print-Redaktionssysteme und Web-Redaktionssysteme eingesetzt. Er ist daher missverständlich und sollte nur dann gebraucht werden, wenn es um grundlegende redaktionelle Prozesse geht.
Der Einzelkämpfer: Desktop Publishing
Unter DTP versteht man Programme zum Layouten auf dem PC/Mac. Diese sind trotz ihrer Nachteile (kein gemeinsames/kollaboratives Arbeiten) als Lösungen im Verlagsumfeld weit verbreitet und werden durch Textprogramme wie Word zum Schreiben ergänzt. In diesen Solitärlösungen lässt sich ein stringenter Verlagsworkflow nicht abbilden. Das größte Problem: Die Inhalte werden proprietär abgespeichert und sind schlecht strukturiert. So sind sie zumeist für zukünftige systemische Nutzungen oder Umnutzungen nicht weiter verwendbar.
Der Autor Dipl.-Ing. Michael Stühr (Unternehmensgründer und ehemaliger Verleger) lehrt zu diesem Thema an der Hochschule Darmstadt. Diese Begriffsklärung ist auf Wunsch des KannWas.Club des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels entstanden. Unter Bennenung von Autor und Quelle (M. Stühr/MarkStein Software/Darmstadt) darf der Artikel, oder Auszüge davon, gerne weiterverwendet werden. Über eine Verlinkung würden wir uns sehr freuen.
Bisher erschienen in der Serie „Grundlagen“ folgende Texte:
- Teil 1) Qual der Begriffe: Versuch einer Klärung
- Teil 2) Grundlagen: Systemarchitektur von Publishing-Systemen
- Teil 3) Grundlagen: Redaktionelle Prozesse
- Teil 4) Grundlagen: Crossmediale Funktionen
- Teil 5) Grundlagen: Medienneutrales Publizieren
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© Dipl.-Ing. Michael Stühr 2015. Der gesamte Text oder Teile des Textes dürfen nicht ohne Zustimmung des Autors weiterverwendet werden. Links auf diesen Blog sind aber willkommen.
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