E-Books fallen unter den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag: Droht eine „Freiwillige Selbstkontrolle bei E-Books“? Diese Nachricht löst in der Kleinverleger und Selfpublisher-Szene Verblüffung und Fragen aus. Sie kann jetzt mit “ja” beantwortet werden. Eine Anforderung, die selbst für Konzerne an Relevanz gewinnt. Ab 2017 werden die Jugendschutzbeauftragten der Verlage die Werke einstufen. E-Books unterliegen dem „strengeren Telemediengesetz“. Nicht nur für den Erotikbereich. Das würde „Fifty Shades of Grey“ genauso betreffen wie „Pippi Langstrumpf“. Update: An ein Siegel oder Label ist jedoch nicht gedacht.
Eine erste klärende Reaktion aus dem Börsenverein:
Es sind noch nicht alle Einzelheiten geklärt. Aber vorerst: Da E-Books Telemedien sind, gelten für den Vertrieb von E-Books die Vorschriften des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags. Wir befinden uns derzeit in Gesprächen mit den Jugendschutzbehörden der Länder, um für den Buchbereich eine kostensparende und ressourcenschonende Umsetzung der Vorschriften des Staatsvertrags zu erreichen. Vorgesehen ist, auf die Zwischenschaltung einer Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle sowie auf Kennzeichnungen in den E-Book-Dateien zu verzichten. Stattdessen sollen alle Verlage, die E-Books ins Verzeichnis lieferbarer Bücher (VLB) melden, voraussichtlich ab November 2015 in einem Pflichtfeld kennzeichnen, ob deren Inhalte nach ihrer Einschätzung jugendgefährdend sind und die Titel deshalb nur für Leser ab 16 Jahren zugänglich gemacht werden dürfen. Derartige E-Books sollen voraussichtlich ab 2017 von allen Online-Buchhandelsplattformen nur noch in einer speziellen Rubrik zugänglich gemacht werden, die mit einem Jugendschutzfilter versehen sein muss. E-Books mit pornographischen und vergleichbaren Inhalten (also vergleichbar FSK 18) dürfen im Internet grundsätzlich nur in geschlossenen Nutzergruppen und nicht auf frei zugänglichen Websites angeboten werden. Die geplante Regelung gilt für Internetanbieter mit Sitz in Deutschland. Sie wird nötig, weil für Telemedien strengere Jugendschutzvorschriften gelten als für gedruckte Bücher.
Quelle: Facebook
Was ist der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag und was bedeutet das technisch?
Seine Intention ist der Schutz von Kindern und Jugendlichen. Aufgrund der Kulturhoheit der deutschen Bundesländer regelt der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag diesen Gesetzeskomplex. Die direkte Übertragung der Film-Regeln auf die E-Bookwelt, dann müssten E-Books ein FSK-ähnliches-Zeichen (Filmwirtschaft) oder ein USK-Zeichen (Computerspiele) tragen, sind nicht vorgesehen. Es soll vorerst nicht gelabelt, sondern nur gelistet werden.
Wie funktioniert die FSK?
Die FSK (Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft) prüft vorgelegte Filme und gibt Altersempfehlungen ab. FSK 18 eingestufte Titel dürfen nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden. FSK 16 nur 16-jährigen oder älteren und so weiter. Die Titel dürfen öffentlich angeboten und beworben werden. Der Verkäufer oder der Vorführer haftet für die Einhaltung des Jugendmedienschutzes. Die „freiwillige Selbstkontrolle“ bedeutet: Filme müssen nicht die FSK-Prüfung durchlaufen, aber ungeprüfte Filme unterliegen den gleichen Werbe- und Vertriebs-Einschränkungen wie indizierte Filme.
Was bedeutet „indiziert“?
Die BPJS (Bundesprüfungsstelle für jugendgefährdende Schriften) prüft auf Antrag, ob Filme oder Bücher für Jugendliche nicht geeignet sind. Es wird dabei in leicht jugendgefährdend und schwer jugendgefährdend unterschieden. Die BPJS indiziert solche Werke. Ein Film oder Buch, das indiziert ist, darf weder öffentlich angeboten und noch beworben werden. Diese Werke können trotzdem legal an Erwachsene verkauft werden.
Wie verkauft man solche Werke?
Zu Internetseiten wie denen eines US-amerikanischen Gemischtwarenhändlers, haben auch Jugendliche Zutritt. Wenn dieser indizierte oder pornografische Medien anbieten will – müssten diese in einem separaten Bereich der Webseite angeboten werden. Jugendliche dürfen hier keinen Zutritt haben.
Fazit
Im Prinzip wird versucht, die etablierten schlechten Regeln für Spiele und Film auf E-Books zu übertragen. Allerdings ist die Menge von Spielen und Filmen gering im Vergleich zu den jährlich erscheinenden Büchern und E-Books. Zu hoffen bleibt, dass wie bisher nur Bücher auf Datenträgern (wie DVDs) prüfungspflichtig sind. Indiziertes darf bisher und weiterhin nur hinter dem Vorhang verkauft werden. USK/FSK18 freigegebenes vor dem Vorhang. Damit wird USK/FSK18 – ungewollt – für manche Zielgruppen zum Qualitätszeichen? Ohne „Explicit Content“-Hinweis (Foto) verkaufen sich manche Musik-Alben schlecht.
Denken wir an die Mitbewerber mit Firmensitz in Luxemburg, Bahamas oder dem Mars, wird dieser Ansatz für uns, neben einer Bürokratisierungswelle, mit Sicherheit einen Standortnachteil bringen.
Nachtrag
Der Börsenverein kündigt unterdessen an, dass „Sobald die Regelung mit den Jugendschutzbehörden abgeschlossen ist …“ ein Merkblatt zum Thema herausgeben wird. Zum jetzigen Zeitpunkt ist kein Siegel oder Label geplant.
Lesetipp von Steffen Meier:
Jugendschutz bei #EBooks, aber freier Zugang für alle bei Youporn und Co. – eine Produktform findet nicht zu sich: https:///t.co/Gq8JiN5bc0
Weiterführender Link aus der Gamerszene:
Die USK, Gründungsmitglied die International Age Rating Coalition (IARC), hat ein globales System bereitstellt, mit dem Alterskennzeichen für Online-Spiele und Apps vergeben werden können: usk
Der Artikel basiert auf der Meldung vom 29. April 2015 „Sitzung des Verleger-Ausschusses: Positionsbestimmungen“ im folgenden dokumentiert:
Freiwillige Selbstkontrolle bei E-Books
… Im Gegensatz zu Büchern würden E-Books als Telemedien eingestuft, für die strengere Jugendschutzvorschriften gelten. Künftig müssten (noch zu benennende) Jugendschutzbeauftragte der Verlage Bücher – wie schon jetzt z.B. bei Filmen üblich – im Wege einer freiwilligen Selbstkontrolle einstufen und mit FSK 0, 6, 12, 16 und 18 kennzeichnen.
Danke
Bei der Recherche halfen: Daniel von Euw, Wes Blanco, Sascha Dinse und Peter Schmid-Meil. Danke. Ohne Euch wäre ein schnelle Einordnung unmöglich gewesen.
Ergänzt am 5. Mai, 18 Uhr.