In dieser Folge unserer Serie „Grundlagen“ beschäftigen wir uns mit dem Thema Medienneutralität und wie diese in Publishing-Systemen umgesetzt wird.
Vorab zur Begriffsklärung: Wir sprechen hier über „medienneutral“ und nicht „crossmedial“. Letzteres bezeichnet das Ausspielen von Inhalten wie Texten und Bildern in mehrere Ausgabeformen, z.B. gedruckt, im Web, als App und als E-Book. Wird von Medienneutralität gesprochen, ist die Verwaltung und Aufbereitung der zugrunde liegenden Daten gemeint. Effizientes crossmediales Publizieren setzt dabei eine hohe Medienneutralität der Daten zwingend voraus. Nicht zu vergessen: Medienneutral bedeutet immer auch Kompatibilität zu Print! Das wird im aktuellen digitalen Hype leicht vergessen. Eine vollständige Medienneutralität ist natürlich per se nicht möglich, denn bestimmte Daten sind immer medienspezifisch: Videos und Audiodateien lassen sich nun mal nicht drucken.
Allgemeine Voraussetzungen
Für medienneutrale Daten müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein:
- Die Daten müssen herstellerunabhängig sein (nicht proprietär)
- Die Daten müssen plattformübergreifend nutzbar sein (plattformunabhängig)
- Die Datenformate müssen standardisiert und offengelegt sein (frei zugänglich)
Für Textdaten hat sich seit Ende der 90er Jahre das Format XML durchgesetzt. XML ist der (vereinfachte) Nachfolger von SGML (Standard Generalized Markup Language) und kompatibel mit HTML, der Sprache des Web. Hierbei handelt es sich um reinen Text, der mit definierten Marken zur strukturierten Auszeichnung versehen ist.
Bei Bildern ist das JPEG-Format im Farbraum RGB der medienneutrale Standard, da sich hieraus unkompliziert Bilddaten für den Druck und das Web erzeugen lassen. Das Format ist komprimiert und bringt somit sowohl für den Druck als auch das Web den Vorteil geringerer Datenmengen mit sich.
Per se nicht medienneutral sind Videos (siehe oben) und alle Arten von Dokumenten, die herstellerspezifische Formate haben. Beispiele nicht medienneutraler Datenformate: PDF (nicht vollständig offengelegt), GIF (läßt sich nicht drucken), PSD (proprietär), MP3 (medienspezifisch).
Technische Umsetzung
Folgende Gegebenheiten müssen auf der technischen Seite geschaffen werden, um eine möglichst große Medienneutralität zu erreichen:
- Konforme Stukturierung aller Inhalte (äußere Struktur)
- Strukturierte Speicherung aller Texte im XML-Format (innere Struktur)
- Bilddaten liegen im höchsten erforderlichen Farbraum vor
- Auszeichnung aller Medienobjekte mit Metadaten (ebenfalls XML)
- Strikte Trennung von Inhalts- und Layoutdaten
Strukturierung bedeutet hier eine durchgängige inhaltliche Kennzeichnung aller beteiligten Objekte. Die Einhaltung der Strukturierung bei Texten wird über eine einheitliche Bezeichnung der Elemente (ein Titel ist immer ein „Titel“ und nicht mal eine „Überschrift“ oder eine „Headline“) oder die strikte Prüfung nach einer DTD (Document Type Definition) gewährleistet. Die Trennung von Inhalt und Layout wird im Web durch HTML5 für Texte und CSS3 für Layouts erreicht. Im Bereich Print ist die Sache schwieriger, hier sollten ebenfalls Text und Layout nur über einen Link verknüpft sein. (Dies ist übrigens bei InDesign als Layoutwerkzeug nicht der Fall!).
Medienneutralität in Publishing-Systemen
Am Beispiel des Publishing-Systems tango media können wir sehen, wie sich Medienneutralität in der Praxis erreichen lässt:
- Alle Daten werden als XML gespeichert oder in Metadaten mit XML gekapselt
- Layouts (Print und Web) werden strikt von den Inhalten getrennt
- Alle Daten besitzen eine durchgängige innere und äußere Struktur
- Die Speicherung aller Daten erfolgt in einer zentralen Datenbank
Der letzte Punkt ist wichtig für die crossmediale Weiterverwertung der medienneutralen Daten und hier schließt sich unser Kreis: Eine zentrale medienneutrale Datenhaltung ist die wichtigste Voraussetzung für die einfache crossmediale Verwertung der Daten.
Nachsatz: Medienneutralität in der täglichen Praxis erfordert eine sehr gute Vorbereitung der Daten und die ausdauernde Sorgfalt bei der Datenaufbereitung. Publishing-Systeme können hierbei den Anwender unterstützen, sie entfalten ihre vollen Fähigkeiten aber nur bei einer sorgfältigen Projektkonzeption.
Bisher erschienen in der Serie „Grundlagen“ folgende Texte:
- Teil 1) Qual der Begriffe: Versuch einer Klärung
- Teil 2) Grundlagen: Systemarchitektur von Publishing-Systemen
- Teil 3) Grundlagen: Redaktionelle Prozesse
- Teil 4) Grundlagen: Crossmediale Funktionen
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