Hassan Al Mohtasib (32), der aus dem Königreich Jordanien stammende Gestalter ist Spezialist für Visual Storytelling und neuer Art Director der WirtschaftsWoche (WiWo). Wir trafen uns in der Nähe der Redaktionen der Verlagsgruppe Handelsblatt in einem kleinen Kaffeehaus nahe der Düsseldorfer Altstadt.
Was bedeutet heute Editorial Design? Wohin geht die Entwicklung?
Al Mohtasib: Es bedeutet das gleiche, was dem Höhlenmaler vor tausenden von Jahren wichtig war: Die menschliche Spur auf der Welt zu verfestigen. Wem das zu hochgestochen ist, darf Werf-mich-gleich-weg-Werbeprospekte zusammenkloppen. Dieses Bedürfnis nach Geschichten ist von der Lust nach Lebensintensität und der Angst vor der Vergänglichkeit getrieben. Es reicht uns Menschen nicht, etwas zu erfahren. Wir wollen das Erfahrene mit anderen teilen. Wir lechzen auch nach Erfahrungen anderer. Editorial Designer sind Journal-Macher, also Journalisten. Sie sind sich der Suggestionskraft des Wortes, der Fotografie und der Grafik bewusst. Sie choreographieren alles und bringen es durch ein Medium zur Welt.
Gibt es Fehler in der visuellen Kommunikation?
Al Mohtasib: Es gibt kein richtig oder falsch. Es gibt Intentionen. Entsprechend kann man die Kommunikation bewerten.
Wie wichtig ist die WiWo-App im crossmedialen Medienmix?
Al Mohtasib: Immens wichtig. Die WiWo-App umfasst die gleichen Inhalte der gedruckten Ausgabe und manchmal mehr. Durch Sie erschließen wir andere Lesergruppen. Sie verschafft uns aber auch den Raum, die gleichen Geschichten anders zu erzählen. Fotografien, Typografie und Grafiken wirken anders. Licht kommt nicht wie im Print von außen, sondern auf dem Tablet von innen. Augenführung ist anders. Infografiken können komplexer sein ohne komplizierter zu werden. Die Verweildauer bei Geschichten ist ermittelbar. Man kommt den Lesern wirklich dadurch näher und man kann ihn narrativ-technisch anders beeinflussen. Ob wir dies gerade ausschöpfend betreiben? Nein! Noch nicht!
Wo liegt der Vorteil von Redaktionssystemen?
Al Mohtasib: Redaktionssysteme sind wie Spielregeln auf dem Fußballplatz. Sie sind da, damit man sich um etwas anderes wichtigeres kümmern kann.
Müssen GestalterInnen beim Multi-Channel Publishing etwas Besonderes beachten?
Al Mohtasib: Ja, man denkt schon beim Gestalten darüber nach, wie man den gleichen Inhalt im anderen Medium gestalten kann. Wenn man der falschen Annahme nachgeht, dass Inhalte in den unterschiedlichen Kanälen gleich formatiert überreicht werden, beraubt man sich selbst als Designer des Gestaltungsraums und damit der Freude. Dies auch seiner Leserschaft. Die verborgene Chance, etwas neues zu lernen oder etwas auszuprobieren, ist da vorhanden. Ich merke das in meiner eigenen Mannschaft, wenn wir darüber diskutieren, wie eine Print-Doppelseite für die iPad-Ausgabe übersetzt werden soll. Man kommt zu guten Lösungen, wenn man an die „Intention“ der Erzählung anknüpft und weniger an die Richtig-oder-Falsch-Übertragung. Gerade an solchen Stellen erkennt man gute Gestalterpersönlichkeiten.
Vielen Dank für das Gespräch.
Hassan Al Mohtasib (Xing) hat im Studio vom Gestalter Mohieddin Ellabbad bei Dar El-Shorouk* in Kairo (Ägypten) gearbeitet. Nach Stationen bei der “Süddeutschen Zeitung” (SZ) und dem Neuentwurf der SZ-Samstagsausgabe, der Wochenzeitschrift “Die Zeit”, ist er heute Art Director der “WirtschaftsWoche” (WiWo). Al Mohtasib absolvierte sein Studium an der Kunstakademie Stuttgart beim Fleckhaus-Schüler Hans-Georg Pospischil.
*Dar El-Shorouk gehört zu den größten Verlagen der arabischen Welt.
Weiterer Text aus unserer Serie: “Fünf Fragen an …” mit Steffen Meier
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