Beim Schirn-Wettbewerb zum »neuen« Peace-Logo – belegte Andreas Karl den neunten Platz in einem Feld von 600 MitbewerberInnen. Wir befragten den in Wien wohnenden Designer kurz vor Eröffnung der Ausstellung in Frankfurt am Main nach den Tücken des großen Wurfes. Die Ausstellung “Peace” öffnet mit einer großen Sommer Party unter dem Motto “PEACE, LOVE AND PARTY!” (Facebook-Termin), am Freitag den 30. Juni 2017 um 19 Uhr (Eintritt frei) .
Was war die größte Herausforderung am Entwurf des Peace-Logos?
Karl: Zuerst einmal fand ich die Aufgabenstellung absurd, ein neues Friedenssymbol zu finden. Mit dem CND-Peacezeichen von Gerald Holtom von 1958 oder der weißen Taube auf blauem Grund der Friedensbewegung gibt es zwei sehr gute Symbole, die auch noch in kommenden Jahrzehnten funktionieren. Ich habe mich trotzdem dazu entschlossen, an der Ausschreibung teilzunehmen, weil ich sehr gerne Pazifist und Logo-Designer bin und seit vielen Jahren schöne Peacezeichen aus der ganzen Welt sammle.
Die größte Herausforderung bei der Arbeit selbst bestand dann darin, abseits der bereits bekannten und ausgetretenen Symbolik eine neue und vor allem zeitgemäße visuelle Metapher für »Peace« zu finden. Das gelang mir aber eher nicht. Wieso die sechsköpfige Jury der Frankfurter Schirn also gerade dieses Logo von meinen vier Konzepten in ihre Top Ten gewählt hat, ist mir ein Rätsel. Die Einsendungen der anderen 600 Teilnehmer müssen die Kriterien offenbar noch weniger erfüllt haben.
Können Logos (zumindest ein wenig) – die Welt verändern?
Karl: Dazu müsste man vorher definieren, was mit »Welt verändern« gemeint ist. Kann ein Peace-Logo den Weltfrieden bringen? Klare Antwort: Nein. Kann das Logo der Vereinten Nationen Menschenrechte garantieren? Antwort: Nein. Das schaffen ja noch nicht einmal die 193 Staaten, die in der UN vertreten sind. Noch vor ein paar hundert Jahren sind ganze Heerscharen von Rittern mit dem christlichen Kreuz auf ihren Brustpanzern und Schilden in die Welt hinaus geritten und haben im Namen dieses Kreuzes (= ist ja auch ein Logo) gemordet, geplündert und ganze Landstriche verwüstet. Eine »Weltveränderung« im negativen Sinn. Nein, Logos allein haben nicht die Power, die Welt zu verändern. Sie beeinflussen nur unsere Wahrnehmung und unser Denken. Vom Besitzer eines Autos, an dessen Heck ein »Baby an Bord«-Sticker klebt, haben wir ein anderes Bild als von einem Fahrer, bei dem ein großer Totenkopf mit Death Metal-Typografie auf der Heckscheibe prangt.
Wie wichtig ist heute ein Branding?
Karl: Ein gutes Logo in Kombination mit einem stringenten Farb-Branding kann schon aus 100 Metern Entfernung signalisieren: Hier gibt es ein Sportgeschäft der Marke XYZ. Hier geht es zur U-Bahn, hier zur S-Bahn und hier ist eine Bäckerei oder eine Apotheke. Nur Logos sagen uns das. Bei so genannten »Fashion Victims« muss ein Markenname auf dem Sweatshirt oder der Unterhose zu sehen sein. Und dann gibt es ja noch die latent ausgetragene Rivalität zwischen Android- und Apple-Usern. Durch das Tragen von Logos fühlt sich manch einer zu einer bestimmten Gruppe zugehörig. Aber ich kann aus eigener Erfahrung sagen: Die Bedeutung von Brands für einen selbst legt sich mit den Jahren. Man schaut nicht mehr nur auf die Marke. Preis, CO2-Footprint und Design sind ebenfalls wichtige Entscheidungskriterien beim Kauf. Ein BMW ist heute so gut wie ein Mercedes, auch wenn er mittlerweile aussieht wie ein Jaguar. Auf meiner Homepage findet man den Text: »In einer Zeit, in der Produkte immer ähnlicher und austauschbarer werden, ist ein markantes Firmenlogo sehr wichtig. Es ragt heraus aus der Masse wie der Duft eines guten Parfums.«
»Logos sollte man nicht ändern!« Stimmt die Regel noch?
Karl: Es gibt Marken wie zum Beispiel Nivea, BMW, Mercedes, CocaCola oder Shell, die ihr Firmenlogo 100 Jahre lang nicht angefasst haben. Hier gilt »Never change a winning brand!«. Auf der anderen Seite gibt es das Beispiel BP. Der weltweit agierende Mineralölkonzern tauschte im Jahr 2000 an allen 28.000 Tankstellen das alte schildförmige Logo gegen eine grüngelbe Sonne. Ein visueller Quantensprung. BP wollte damit signalisieren: Wir setzen von nun an auf saubere Energie … auf Sonnenenergie statt auf Erdöl! Dass das aber nur eine Mogelpackung der BP-Marketingabteilung war, zeigte 2010 die gigantische Ölkatastrophe der BP-Ölplattform »Deepwater Horizon« im Golf von Mexico. Trotzdem wird der BP-Konzern Umfragen zufolge heute als grüner und umweltfreundlicher wahrgenommen als vor der Logo-Umstellung. So leicht lässt sich unser Unterbewusstsein durch Farben und Formen manipulieren. Seit einigen Jahren ist zu beobachten, dass große Unternehmen wie zum Beispiel: Google, Microsoft oder Ebay ihre Marke in immer kürzeren Abständen ändern. Hier verfolgt man wohl die Strategie, sich an vermeintliche Trends anzupassen oder sich bestimmten Zielgruppen anzubiedern. Ich denke, dass ein professionell gestaltetes Logo oder Firmenerscheinungsbild nicht alle zehn Jahre geändert werden sollte.
Wie stehst du zum internationalen Grafikwettbewerb übers Web?
Karl: Fast alle Designwettbewerbe der letzten Jahre wurden über das Web angekündigt und ausgetragen. Eigentlich ist das nur logisch, denn die Teilnehmer/-innen an solchen Ausschreibungen malen ja in der Regel nicht mehr mit Aquarellfarben auf Büttenpapier oder schummern mit Faber-Castell-Bunstiften nette Farbverläufe auf Schöller-Hammer-Kartons. Sie sitzen am Computer, dem maßgeblichen Arbeitsgerät unserer Zeit. Noch vor 20 Jahren mussten zum Beispiel Plakatentwürfe flach und im DIN A1-Format eingereicht werden. Das hieß: Plakatentwurf auf eine riesige Pappe aufziehen (vorzugsweise mit umweltschädlichem Sprühkleber), das Ganze dick mit Packpapier umwickeln und mühsam zur Post bringen. Heute lädt man seinen Entwurf meist nur noch auf der Homepage des jeweiligen Wettbewerbs hoch und fertig ist die Einreichung. Probleme habe ich allerdings mit Wettbewerben, die ohne eine Fachjury nur über ein Crowd- oder Public Voting entschieden werden. Regelmäßig kommt es vor, dass dabei Abstimmungsergebnisse manipuliert und Votings gefälscht werden. Eigentlich sollte doch das beste Design gewinnen und nicht der Teilnehmer mit den meisten Followern bei Twitter oder Facebook.
Andreas Karl studierte Visuelle Kommunikation mit Abschluss Diplom Grafikdesigner in Würzburg. 13 Jahre Illustrator und Art Director für Verlage und Agenturen. Danach 13 Jahre Freelancer und freier Kreativdirektor in Frankfurt. Seit 2004 Inhaber und Kreativdirektor des eigenen Studios Karl Design – Marken für Morgen in Wien. Andreas Karl hat über 1200 Firmenlogos, Symbole und Schriftzüge entworfen, ist Juror bei internationalen Wettbewerben für Logo- und Corporate Design und wurde für seine Arbeit bisher mit 301 Awards ausgezeichnet.
Die Fragen stellte: Andreas Artmann (Xing) für die MarkStein Software GmbH. Andy Artmann war Layout- und Produktionschef bei Schibsted (20 Minuten), Art Director beim Frankfurter Societäts Verlag, Dozent und Kreativdirektor beim Bildungswerk der Deutschen Zeitungsverleger. Heute lehrt er für MarkStein unter anderem Gestaltung mit tango solo und tango media. Lesen Sie auch:
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