Ein Kampf unter Giganten ist entbrannt, physisch und digital. Nicht einmal planetare Grenzen bieten noch genügend Raum und Zeit für alte und neue Feindschaften und Allianzen. Nein, ich spreche nicht von anstehender Kinomonster-Action à la Godzilla versus King Kong, Transformers oder Star Wars – oder vielleicht doch?
Fehdehandschuh
Schauen wir uns beispielsweise Tim Cooks hingeworfenen Fehdehandschuh namens Datenschutz-Einstellungen an. Und wie Medienmagnat Mark Zuckerberg diesen aufnimmt: Er positioniert Facebook – wenig glaubhaft – als Opfer und Rebellen. Als Förderer des digitalen Wachstums und Wohlstands stellt er sich an die Seite der Pandemie-gebeutelten kleinen Unternehmerschaft. Diese soll – so ganz ohne die Vorzüge des Ad-Tracking und der Werbe-IDs – ihre Zielgruppe bei ihm nicht mehr effizient antreffen können. Nachdem „Zuck“ die Kalifornier also zum Erzfeind erklärt hat, schlägt er Ruckzuck kanalübergreifende Werbetrommeln – mittels Datenschutz-Hinweisen auf der eigenen Plattform sowie Kampagnen in der New York Times und Washington Post. Apple gegen Facebook: Apples Initiative gegen das App-übergreifende Tracking – ohne explizite Nutzerzustimmung – gefährdet den Facebook-Umsatz so dramatisch, dass man – internen Widerständen zum Trotz – sogar eine Kartellklage erwägt.
Apple schlägt zurück
Der Apple-Chef macht deutlich, was er vom Konter hält. Er erklärt sinngemäß: „Wer es als unvermeidbar ansieht, dass alles in seinem Leben gesammelt und verkauft wird, der verliert mehr als bloß Daten, nämlich die Freiheit, Mensch zu sein“. Facebooks Geschäftsmodell ist abhängig von Kampagneneffizienz, dem Mantra datengetriebener persönlich relevanter Werbung für jeden. 97 Prozent des Umsatzes (Q4/20) kommen aus dem Anzeigengeschäft. Und Zuckerberg befürchtet zu Recht, dass die wenigsten Nutzer aktiv per Opt-in einer Überwachung zustimmen werden, welche sie über Apps und Webseiten hinweg verfolgt. Dies wird natürlich – bei aller Ironie und Polemik – weitreichende Auswirkungen auf jeden Social Media Marketer haben. Das Werbenetzwerk Google wird Apples Datenschutzvorgaben übrigens zähneknirschend einhalten, hat man sich doch bereits mit dem Aussterben der Third-Party-Cookies (ausgelöst durch eine Allianz der Browserhersteller einerseits, und der EU-Gesetzgebung mit ihrer E-Privacy-Verordnung andererseits) arrangieren müssen.
Werbebotschaften quasi »gerichtsfest« machen
Gerichtsdokumente sollen übrigens zeigen, dass Facebook sich bisher, dank einer Absprache der Vorzugsbehandlung bei Werbeschaltungen in Googles Open-Bidding-Verfahren erfreuen durfte. „Unbemerkt von anderen Marktteilnehmern haben die Parteien vereinbart, dass der Hammer bei einer bestimmten Anzahl von Auktionen zu Gunsten von Facebook fallen wird, unabhängig davon, wie hoch andere bieten mögen“, heißt es seitens der New Yorker Staatsanwaltschaft. Google widerspricht der Darstellung im Wall Street Journal. Neue Pfeile zur zielgenauen Auslieferung von Werbebotschaften hat Google jedoch längst im Köcher: Der FLoC-Ansatz (Federated Learning of Cohorts) fasst Gruppen von Menschen in Clustern zusammen und generiert Gemeinsamkeiten aus den Gruppen-Eigenschaften. Und schon verschwindet die Einzelperson in der Masse.
DSGVO als Apple-Strategie
Apple schreitet also voran und erhebt die Vorgaben der DSGVO aus Kalkül zur eigenen Zukunftsstrategie: mehr Datenautonomie und Privatsphäre als Kaufargument. Das Facebook-Imperium dagegen muss gegen die drohende Entflechtung an vielen Fronten zurückschlagen. In den USA wollen die Behörden nun gegen die Macht uneinsichtiger Tech-Konzerne (und deren Lobbyisten) durchgreifen. Jahrelang hat die US-Bundeshandelskommission (FTC) zugesehen. Jetzt erhebt sie, gemeinsam mit 48 Bundesstaaten Klage. New Yorks Generalstaatsanwältin Letitia James sendet ein starkes Signal des Widerstands gegen die Praktiken der Tech-Monopolisten: „Keiner sollte so viel Macht über unsere persönlichen Informationen und sozialen Interaktionen haben. Wir senden eine deutliche Botschaft an Facebook und alle anderen Unternehmen, dass wir auf alle Versuche, … den Schutz der Privatsphäre zu beschneiden, mit der vollen Kraft unserer Ämter reagieren werden.“ Auch Europa strebt per Plattformgrundgesetz neue Spielregeln für die digitale Welt der Gatekeeper an.
Digital Service Act
Man will die GAFAM (Google, Amazon, Facebook, Apple, Microsoft) durch den Digital Services Act (DAS, Das Gesetz über digitale Dienste) in die Schranken weisen. In der Praxis könnte dies unter anderem sogar bewirken, dass es einem europäischen Facebook-Nutzer ermöglicht werden muss, barrierefrei und direkt bspw. mit einem Twitter-Nutzer zu kommunizieren. Zudem wird die EU-Urheberrechtsreform, beziehungsweise deren Umsetzung in nationales Recht – die nicht ohne Upload-Filter auskommen wird –, das Netz verändern. Vorläufiger Gewinner ist die Verlagsbranche. Durch ihren kurzen Draht zur Politik konnte sie die Lobby-Schlacht erst einmal für sich entscheiden – mit einem Gesetzesentwurf, der die Gerichte noch beschäftigen wird.
Ihr André Gotzens