Von André Gotzens
Wenn Musk etwas anpackt, beginnt dies oft mit einem Tweet, so im Dezember 2017 und im April 2022. Seine Methode, teils absurdes Zeugs »Next I’m buying Coca-Cola to put the cocaine back in« zu verbreiten, maximal zu polarisieren und letztlich – in mehrfacher Hinsicht – Erfolg einzuheimsen, scheint so ein typisches #SocialMedia2022-Phänomen zu sein. Die meisten tun wohl auch den aktuellen Facebook-Leak (anscheinend kann man in Menlo Park, Kalifornien, nicht wirklich nachvollziehen, was mit unseren Daten geschieht), mit einem Schulterzucken ¯\_(ツ)_/¯ ab.
Die Geister, die wir riefen auf vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Plattformen? Social Media, wie wir es verdienen, „wo wir uns tagtäglich bereitwillig prostituieren, um die kostenlosen Services nutzen zu können“? (Danke Sascha Pallenberg, für diesen Gedanken).
Kopfschüttelnd verfolge ich – ungläubiges Staunen ob der Dreistigkeit – die Selbstinszenierung des »Bullionaire«. Ian Bogost befasst sich mit der Ambivalenz des Elon Musk, dem »Bullshitter, der abliefert«. Techblogger Pallenberg nimmt das ganze Ausmaß eines Dramas mit Ankündigung zum Anlass, Schluss mit der von ihm geliebten Twitterei zu machen.
Sein emotionaler Abschied von der Plattform (Podcast und Link-Sammlung sind ein Must-read!) enthält mahnende Worte zu einer toxischen Kultur. „Die riesengroßen Plattformen, auf denen die Musks dieser Welt, Rede- & Meinungsfreiheit mit Bullying verwechseln, brauchen mehr Kontrolle, nicht weniger. Sie müssen anders reguliert werden, denn sie sind zu „Honeypots for Assholes“ geworden.“
Barack Obama wäre ohne Facebook und Meetup wohl nie Präsident geworden. Aktuell hat er sich den Kampf gegen Desinformation auf die Fahne geschrieben. Der Ex-Präsident warnt vor Autokraten und Lügen. Und er möchte demokratiegefährdendes Social Media stärker reguliert, Empfehlungsalgorithmen offen gelegt wissen.
Nun, dies will die EU auch und arbeitet daher an ihrem Digital Markets Act (DMA).
Digitale soziale Medien haben laut Sozialpsychologe Jonathan Haidt die Pfeiler erfolgreicher Demokratien zersetzt: Soziales Kapital (soziale Netzwerke, deren Teilnehmer sich vertrauen), starke Institutionen und gemeinsam erlebte, geteilte Geschichte und Mythos.
Dystopien, in denen digitale Feuerwerke unsere Welt abfackeln, in denen Bevölkerungsteile in unterschiedlichen Realitäten – basierend auf unterschiedlichen Fakten – leben? Bei so viel Negativität fällt es fast schwer, sich darauf zu besinnen, wie und warum Social Media unser Leben besser machen kann.
Und Positives? Unterwegs in der ganzen Welt sein, informiert und nah am Thema, im Kontakt mit Freunden und Familie bleiben
Social Media lässt diese Welt kleiner erscheinen. Der richtige Newsfeed (man muss eben auch den richtigen Accounts folgen, mit den richtigen Leuten vernetzt sein), hält einen nicht nur über relevante Ereignisse informiert. Die Kanäle und Plattformen ermöglichen es erst, unkompliziert mit Freunden und Verwandten in Verbindung zu sein, Teil ihres Lebens zu bleiben. Wie wichtig dies in den letzten zwei – durch Abstand, Quarantäne oder Selbstisolation geprägten – Jahren war, kann nicht genug betont werden. Beziehungen aufrechterhalten statt Entfremdung, Dialog, Entwicklungsmöglichkeiten statt Depression oder Resignation und viele weitere positive Effekte lassen sich nennen…
Lasst mich – positiv gestimmt – mit Mark Hamills (ja, DER Luke Skywalker) Worten schließen… „Egal, wem sie gehören, egal, wer sie betreibt, ich bleibe hier, um mich mit euch auszutauschen, mir verschiedene Meinungen anzuhören und weiter für das Gute zu kämpfen! (und auch, um weiterhin das alberne Zeug zu posten, für das ich bekannt bin).“
André Gotzens ist ein freier Content-Stratege und langjähriger Mitarbeiter von #7t7n. Er unterstützt Unternehmen bei Publishing- und Kampagnenprojekten.